02.09.2023

Luftverschmutzung durch öffentliche Verkehrsmittel: die unsichtbare Bedrohung

Während der französische Präsident Emmanuel Macron den Ausbau des Schnellbahnnetzes in zehn Metropolen befürwortet, stellt sich eine zentrale Frage: Wie steht es um die Luftqualität rings um die Bahngelände? Diesem schwerwiegenden Thema der öffentlichen Gesundheit müssen dringend konkrete Maßnahmen gegenübergestellt werden. 

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Die Fortbewegung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wirkt sich positiv auf die Umwelt aus. Bei einer Zugfahrt wird durchschnittlich 10-mal weniger CO₂ ausgestoßen, als wenn die gleiche Strecke mit dem Auto zurückgelegt wird – im Vergleich zu einer Flugreise entstehen sogar bis zu 50-mal weniger Kohlenstoffdioxid. Bedeutet das, dass die öffentlichen Verkehrsmittel der Luftverschmutzung ein Ende setzen? So einfach ist es leider nicht. Nur wenigen Bahnfahrern ist bewusst, dass sich die am stärksten verschmutzte Luft innerhalb und ringsum der U-Bahn- und Schnellbahnstationen findet. »Ein derart extremer Verschmutzungsgrad würde umgehende Notfallmaßnahmen nach sich ziehen, wenn er im Freien gemessen würde«, prangerte der Journalist Hugo Clément in einer Reportage vom Juni 2020 hinsichtlich der Gutachtenergebnisse der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz (ANSES) an.

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Feinstaub-belastete Luft in S- und U-Bahnen

In diesem von ANSES erstellten Gutachten heißt es: »Seit Beginn der 2000er-Jahre haben Messungen der Luftqualität in französischen Bahnhöfen dreimal so hohe Konzentrationen von luftgetragenen Partikeln (PM10, PM2,5 in µg/m³) aufgedeckt, wie sie durchschnittlich in der städtischen Außenluft zu finden sind.« Bereits 2019 zeigte eine von der Organisation Respire durchgeführte Studie erschreckende Mengen an Mikropartikeln auf: »In einigen Messungen erreicht die PM1-Konzentration 30 µg/m³, eine für Moleküle dieser Größe beträchtliche und im Freien nie erreichte Konzentration. Auf dem Bahnsteig der RER A im Pariser Bahnhof Gare de Lyon wurden zwischen 300 und 800 Partikel pro cm³ gemessen. Das entspricht 300 bis 800 Millionen Partikeln pro m³

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Die Schuldigen: Bremsen und Reifen

Warum aber ist die Luft in den S- und U-Bahnhöfen so stark verschmutzt? Feinstaub entsteht durch die bei der Reibung der Bremsen und Räder auf den Schienen entstehende Abnutzung des Materials. Der Grad der Verschmutzung hängt von der Art des verwendeten Materials, der Häufigkeit der Zugdurchfahrten, der Bahnhofsbeschaffenheit sowie der Effizienz der Belüftungssysteme ab. »Am schlechtesten schneiden gummibereifte U-Bahnen ab, denn neben den beim Bremsen entstehenden Reibungspartikeln entstehen große Partikelmengen durch die Abnutzung der Reifen. Zumal die Fahrer insbesondere während der Hauptverkehrszeiten oft erst im letzten Moment bremsen: Je stärker die Bremsung, desto mehr Partikel werden freigesetzt«, konstatiert Jean-Baptiste Renard, Forschungsleiter am französischen Wissenschaftszentrum CNRS und Mitglied des wissenschaftlichen Rates der Organisation Respire. Durch die Ableitung über die Lüftungsschächte wirkt sich diese Art der Verschmutzung auch auf die Qualität der Außenluft aus. Eine von Respire durchgeführte Studie geht davon aus, dass »die Luftverschmutzung durch Partikel (PM10, PM2,5 und PM1) in der Nähe von Lüftungsschächten doppelt so hoch ist wie in der städtischen Außenluft.« »Lassen Sie Ihre Kinder nie auf diesen Gebläsen spielen! Bei bestimmten Feinstaubgrößen (2 bis 3 μm) überschreiten die Messwerte die für die Außenluft anberaumten Grenzwerte bis um das Zehnfache«, warnt Jean-Baptiste Renard.

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Eine unterschätzte Gefahr

Die Gefahren für die Gesundheit von Mitarbeitenden und Reisenden sind nicht zu unterschätzen. So verdeutlicht ANSES, dass »die epidemiologischen und toxikologischen Daten angesichts der beobachteten biologischen Veränderungen hinsichtlich Entzündungen, oxidativem Stress und der autonomen Herzfunktion kardiorespiratorische Folgen nahelegen«. Feinstaub dringt tief in unsere Lungen ein und gelangt in unser Blut. Wenn wir den Partikeln täglich ausgesetzt sind, können sie Krankheiten wie Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Herzinfarkte etc. verursachen. »Von den zahlreichen ultrafeinen Partikeln geht ein beträchtliches Risiko aus. Je feiner die Partikel, desto tiefer dringen sie in den Körper ein. Darüber hinaus enthalten sie Kohlenstoff, was sie besonders gefährlich macht«, so Jean-Baptiste Renard. »Am stärksten sind Menschen gefährdet, die sich täglich in diesem Umfeld aufhalten. Bei Viren spricht man in diesem Zusammenhang von der Viruslast. Bei Feinstaub verhält es sich ähnlich: Wenn Sie mehrere Stunden oder selbst Minuten hohen Werten ausgesetzt sind, entsteht ein bedeutsamer kumulativer Effekt. Entsprechend hoch sind die Risiken für all diejenigen, die regelmäßig unter derartigen Bedingungen arbeiten«, schlussfolgert Jean-Baptiste Renard.